PostDoc-Projekte

Christiane Schürkmann

Natur-Kultur-Verhältnisse im Wandel. Zur gesellschaftlichen Relevanz radioaktiver Abfallstoffe
(Arbeitstitel)

Nach dem geplanten Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2022 werden voraussichtlich 30.000 Kubikmeter hoch radioaktive Abfallstoffe dauerhaft zu lagern sein – und dies nur in Deutschland. Im Zuge der Suche nach einem Standort für die Lagerung dieser speziellen Abfallstoffe sehen sich verschiedene gesellschaftliche Akteure vor die Herausforderung gestellt, ein ›Endlager‹ zu lokalisieren, zu begründen und in einem partizipativen Verfahren zu legitimieren. An diesem Prozess sind erstens verschiedene politische Institutionen (Bund, Länder) und Wissenschaften beteiligt (Chemie, Geowissenschaften, Ingenieurswissenschaften, Physik), die ihrerseits die Eignung der unterirdischen Lokalität aus ihrer je spezifischen Fachperspektive einschätzen und beurteilen. Zweitens sind zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt, die vor allem die enormen und nicht zu überschauenden Risiken der Lagerung dieser hochgradig gefährlichen Abfallstoffe zu ihrem politischen Einsatz machen. Sowohl die Konstellation der Akteure als auch die Brisanz des Gegenstandes lässt ein starkes gesellschaftliches Konfliktpotenzial vermuten.

Das Habilitationsprojekt untersucht aus einer soziomateriellen und soziotechnischen Perspektive den Umgang mit radioaktiven Abfallstoffen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den als ‚hoch radioaktiv‘ definierten Abfallstoffen. Wichtige Fragestellungen des Projekts sind u.a.: Wie formiert sich ‚Gesellschaft‘ um solche materiellen Entitäten, die als höchst gefährlich gelten und kaum regulierbar sind? Wie fordern diese ‚Abfallstoffe‘ sowohl zivilgesellschaftliche Akteure als auch Organisationen der Gesellschaft in deren Handlungsfähigkeit heraus und wie präformieren sie soziotechnische Prozesse? Welche Rolle spielt technisches und wissenschaftliches Wissen bei der Bewältigung dieser gesellschaftlichen Herausforderung? Welches Wissen wird wann und auf welche Weise eingesetzt, um die ‚Stoffe‘ doch regulierbar erscheinen zu lassen? Welche Verhältnisse von Natur/Kultur lassen sich im Rahmen der Untersuchung des Umgangs mit diesen Stoffen rekonstruieren?
Konzeptionell schließt das Projekt an posthumane Theorien und den Diskurs über das Anthropozän an; empirisch folgt es den Methoden der qualitativen Sozialforschung. Das Projekt verortet sich in der Umweltsoziologie, der Wissenschafts- und Technikforschung sowie der sozialwissenschaftlichen Materialitätsforschung.